1874 – 1936
Bin so viel Jahre schon und
Nacht für Nacht
In einem Unterstand gesessen.
Und habe dennoch nicht
vergessen,
Daß Gott der Herr den Tag
gemacht.
Ihr aber habt geschlafen
unterdessen.
Ich aber habe nur gewacht,
Und hab darüber nachgedacht,
Daß ihr geschaffen wurdet, um
zu essen.
Wir werden niemals mehr
zusammenkommen,
Ich unten, ihr am sichern
Herde.
Ich bin verdammt, und ihr, ihr
seid die Frommen.
Und steig ich auf, und ihr
seid auf der Erde,
So bleibt uns die
Verständigung genommen.
Ihr lobet Gott; ich weiß, wie
Licht es werde.
1874 – 1936
Bevor ich war und wenn ich
nicht mehr bin,
Wie war ich da, wie werde ich
da sein?
Zuweilen dringen Duft und
Rausch und Schein
Vom Ende her und von dem
Anbeginn.
Hab ich geschlafen? Eben
schlaf ich ein,
Und nun verwaltet mich ein
andrer Sinn,
Noch bin ich außerhalb, schon
bin ich drin,
Noch weiß ich es, und füge
mich schon drein.
Dies Ding dort ruft, als hätt
ich’s oft geschaut,
Und dies da blickt wie ein
vertrauter Ton,
Und an den Wänden wird es bunt
und laut.
Dort wartet lang mein
ungeborner Sohn,
Hier stellt sich vor die
vorbestimmte Braut,
Und was ich damals war, das
bin ich schon.
1874 – 1936 (getötet
am 4. November 1917)
Ein Landsknecht du? vier Jahre
deines Seins
Hast du dein frühlingshaftes
Herz getragen
Durch Blut und Kot und alle
Pein und Plagen
Und wurdest der Millionen Opfer
eins?
Und durftest, was du mußtest,
uns nicht sagen
Und fühltest Vogelsang des
grünen Rains
Und lebtest stumm am Rande
dieses Scheins
Und fromm genug, um ferner
nicht zu fragen.
Und da dein reines Herz
erstickt in Kot,
Das Mitgefühl der Zeit mußt du
entbehren.
Ein treuer Bursch nur stand
bei deinem Tod.
Doch seine Tränen wird die
Welt vermehren,
Färbt einst nicht Blut mehr,
färbt die Scham sie rot.
Bis dahin mag sie ihre Henker
ehren!
1874 – 1936
Die Dinge sind schon an der
Fläche tief,
Du mußt sie nur mit Ehrfurcht
sagen.
Willst du dich aber weiter
wagen,
So weist sich’s oft, daß dich
kein Rätsel rief.
Beneide nicht, die allen Sinn
benagen
Und den Gedanken, der da
schlief,
Eh er durch ihre Tageszeiten
lief,
Gefühllos weckten durch ihr
lautes Fragen.
Sie das Gewohnte stets zum
erste Mal.
Dann hat sich alles Suchen dir
gelohnt,
Das Vorgefundne fügt sich
deiner Wahl.
Bleibt nur, was ruht, von
deinem Drang verschont,
So wird dir das Entlegene
banal,
Und neu das Nahe und wie
ungewohnt!
1874 – 1936
Hab ich dein Ohr nur, find ich
schon mein Wort:
Wie sollte mir’s dann an
Gedanken fehlen?
Von zwei einander zugewandten
Seelen
Ist meine flüchtig, deine ist
der Hort.
Ich komme aus dem Leben, jenem
Ort,
Wo sie mit Leidenschaft das
Leben qüälen
Und sich die Menschen zu der
Menschheit zählen,
Und technisch meistern sie den
Tag zum Tort.
So zwischen Schmach und
Schönheit eingesetzt,
Rückwärts die Welt und
vorwärts einen Garten
Ersehend, bleibt die Seele
unverletzt.
Fern zeigt das Leben seine
blutigen Scharten,
An mir hat es sich selber
wundgehetzt.
Öffne dein Ohr, um meines
Worts zu warten!
1874 – 1936
Du bist so sonderbar in eins
gefügt
aus allem, was an allen mir
behagte.
Du hast etwas von einer, die
belügt,
und von der andern, die die
Wahrheit sagte.
Du hast den Blick, der mir zum
Glück genügt,
die Stimme, die es fühlte und
nicht sagte;
begrenzt wie die, an die der
Wunsch sich wagte,
unendlich an Erfüllung
angeschmiegt.
Die Züge der Besiegten, die
besiegt,
sind Spiegel aller Wonne, die
mich plagte,
und allen Zwistes, der am
Herzen nagte,
und daß ich mich vergnügte und
verzagte,
und wie ich im Gewinn Verlust
beklagte
von Federleichtem, das ein
Leben wiegt.